Agrarproduktion nachhaltig gestalten

Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde und findet in verschiedensten Zusammenhängen Anwendung. Gerade im Bereich der Agrarproduktion hat er jedoch eine ganz besondere Berechtigung, stammt er doch ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Karlowitz veröffentlichte 1713 das erste Lehrbuch der Forstwirtschaft, in dem er ein Prinzip formulierte, das sich folgendermaßen zusammenfassen lässt: Wir müssen bei der Nutzung des Waldes für ein Gleichgewicht sorgen und dürfen dem Wald nur so viel Nutzholz entnehmen, wie nachwächst.

Bild zeigt: Pflanzenkeimling gehalten von einer Hand
Nachhaltige Landwirtschaft stellt hohe Anforderungen an Züchtungs- und Anbaustrategien. / Foto: Purestock

Zwar ist die moderne Definition der Nachhaltigkeit erheblich erweitert worden. Doch kann auf den Bereich der Agrarproduktion sein Grundgedanke nach wie vor Anwendung finden: Nachhaltige Landwirtschaft bedeutet, dass wir die natürlichen Ressourcen (Böden, Gewässer und Atmosphäre, aber auch die biologische Vielfalt) in einer solchen Weise nutzen, dass diese nicht „erschöpft“ werden, sondern im Gleichgewicht bleiben. Mittlerweile sind die Kennzahlen jedoch dramatisch: Jedes Jahr werden weltweit durch die Rodung von Wäldern 13 Millionen Hektar fruchtbarer Böden zerstört, während im gleichen Zeitraum die Fläche der Wüstenlandschaft um 12 Millionen Hektar zunimmt. Mit anderen Worten: Jedes Jahr wird weltweit eine Fläche unfruchtbar, die der Fläche des Vereinigten Königreiches entspricht.

Angesichts dieser Zahlen stellt der Anspruch, eine wachsende Weltbevölkerung mit Nahrung, Energie und pflanzlichen Rohstoffen zu versorgen, eine enorme Herausforderung dar. Um ihn zu erfüllen, gibt es keinen Königsweg, vielmehr müssen sich viele Bausteine und Bemühungen zu einem Ganzen fügen, damit die Bedürfnisse der lebenden und der kommenden Generationen erfüllt werden können ohne die natürlichen Ressourcen zu zerstören.

Neben der Optimierung der Pflanzen selbst bleibt der Pflanzenschutz von herausragender Bedeutung. Dabei sollen Risiken für Mensch, Tier und Ökosysteme so gering wie möglich gehalten werden. Eine besondere Rolle kommt dem integrierten Pflanzenschutz zu, also dem Schutz von Nutzpflanzen und der Verhinderung von Ertragsausfall durch eine ganze Reihe sich ergänzender Maßnahmen. Es gilt, den nach wie vor unumgänglichen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf ein Minimum zu beschränken, wobei moderne Verfahren wie Precision Farming, Sensorik und Robotik eine wichtige Rolle spielen. Neben der Verhinderung der Einschleppung neuer, invasiver Schadorganismen sind Maßnahmen wie die bestmögliche Auswahl von Standort, Saatgut und Aussaatzeitpunkt sowie die Berücksichtigung einer optimalen Fruchtfolge von Bedeutung. Auch in der Nutzung natürlicher Fressfeinde von Pflanzenschädlingen liegt noch viel ungenutztes Potenzial.

Ein wichtiger Ansatz hin zu einer nachhaltigeren Agrarproduktion besteht im Konzept der Ökosystemdienstleistungen und ihrer Erhaltung. Hinter dem Begriff verbirgt sich der umfassende Nutzen, den Ökosysteme liefern. Dies geht weit über die Produktion von Nutzpflanzen und -tieren hinaus: Dazu werden auch Regelungsfunktionen in Bezug auf Überflutung, Dürre, Erosion und Krankheitsübertragung gezählt, unterstützende Funktionen wie Bodenbildung und Nähstoffrecycling sowie kulturelle Vorteile im Bereich der Erholung, der Spiritualität und der Religion. Ein nachhaltiges Landmanagement muss also eine Vielzahl an Fragestellungen bezüglich der Wechselwirkung zwischen diesen Ökosystemdienstleistungen und den landwirtschaftlichen Produktionssystemen berücksichtigen, beispielsweise zur Quellen- und Senkenfunktion von agrarisch genutzten Flächen für Treibhausgase, aber auch sozio-ökonomische Zusammenhänge.

Entsprechend weit gespannt sind auch die durch die Forschung zu bearbeitenden Fragen: Neben der Forschung mit Blick auf die möglichst weitgehende Optimierung von Nutzpflanzen ist dies zum Beispiel die Forderung, das Spannungsverhältnis, das oft zwischen der Nutzung biologischer Ressourcen und dem Erhalt der Biodiversität auftritt so weit wie möglich aufzulösen.

Neben landwirtschaftlich genutzten Pflanzen spielen auch die weitere Erforschung und Züchtung von landwirtschaftlichen Nutztieren sowie von Methoden der Aquakultur eine bedeutende Rolle. Neue Konzepte der Zucht von Nutztieren sowie ihrer Haltung und Ernährung müssen Aspekte wie Tierschutz, Ressourcenschonung und Wirtschaftlichkeit ebenso beachten wie eine mögliche Minimierung von Emissionen. Dies erstreckt sich auch auf den Bereich der Haltungs- und Transportsysteme.

Die Notwendigkeit dieser Anstrengungen zeigt sich auch in dem Umstand, dass die weltweite Nachfrage nach Fisch weiterhin zunimmt, zahlreiche Arten aber in einem bedrohlichen Maße überfischt sind. Langfristig kann diese Nachfrage also nur aus Aquakulturen gedeckt werden.